Unabhängigkeit, Wohlstand und vor allem Friede – dies und mehr erhoffte sich der Südsudan, als er sich unabhängig erklärte. Zehn Jahre später herrscht im Land eine andere Realität.
Text: World Vision
Zehn Jahre nachdem der Südsudan seinen harten Kampf um die Unabhängigkeit gewonnen hat, ist das Land gerade für Kinder zu einem der schwierigsten Orte der Welt geworden. Fast 70 Prozent der Bevölkerung im Südsudan benötigen dringend humanitäre Hilfe. Die Unterernährung insbesondere bei Kindern hat ein kritisches Niveau erreicht, etwa 4,4 Millionen sind unterernährt. Die herrschende Hungersnot im jungen Staat kommt nicht von ungefähr: Sie ist eine Folge von Gewalt, Überschwemmungen, Dürren und Covid-19.
Kinder als Soldaten
Laut Bericht der Vereinten Nationen über Südsudan kommt es auch immer wieder zu schweren Kinderrechtsverletzungen. Die Rekrutierung von Kindern als Kindersoldaten, Tötung und Verstümmelung, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt gehört zu den sechs schweren Kinderrechtsverletzungen, die gegen internationales Recht verstossen. Erst vor zwei Jahren hat der Südsudan die Kinderrechtskonvention und sein Fakultativprotokoll über Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten ratifiziert. Doch von seiner Umsetzung ist es noch weit entfernt. 19'000 Kinder sind seit 2013 als Kindersoldaten im Südsudan rekrutiert wurde. Hierzu gehören auch Mädchen. Bis heute sind mehr als eine Million Kinder von psychosozialem Stress aufgrund der gewaltvollen Erfahrungen betroffen, 8000 Kinder leben weiterhin getrennt von ihren Familien. Apuk, 14 Jahre, betont: «Kinderrekrutierung durch bewaffnete Gruppen stiehlt Kinderträume. Das muss aufhören. Kinder sollten besser geschützt werden.»
Ohne Bildung keine Zukunft
Auch im Bereich Bildung gibt es noch viel zu tun. Nach einem Bericht des Südsudan Education Cluster benötigen etwa 3,4 Millionen Mädchen und Jungen zwischen drei und 17 Jahren eine Ausbildung. Mehr als 66'000 Lehrkräfte fehlen. Dennoch hofft der zwölfjährige Abraham auf eine gute Zukunft für sein Land: «Wir lernen im Freien unter Bäumen. Aber unsere Träume für eine positive Entwicklung sind lebendig. Wir brauchen mehr Schulen und ein sicheres Umfeld, um zu lernen, weil wir die Zukunft sind.»
Hilfe, jetzt
World Vision ruft dazu auf, schnell lebensrettende Hilfe zur Verfügung zu stellen. Besonders in den Bereichen Ernährungssicherheit und Existenzsicherung, Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene sowie Gesundheit wird mehr Unterstützung benötigt. In den Lagern für Binnenflüchtlinge fehlt es an Unterkünften, Nahrungsmitteln, Dingen des täglichen Bedarfs, Hygieneartikeln und -einrichtungen. Die zehnjährige Athieng appelliert: «Wir brauchen ein verbessertes Gesundheitssystem, damit Kinder nicht mehr an vermeidbaren Krankheiten und Unterernährung sterben müssen, und auch Existenzgrundlagen für Familien, um Mädchen vor der frühen Kinderehe zu schützen.»
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
Das Land im Osten Afrikas steht weiterhin vor grossen Herausforderungen. Dennoch äussern viele Kinder und Jugendliche grosse Erwartungen für eine gute Zukunft. «Der diesjährige Tag der Unabhängigkeit weckt Hoffnung und Vorfreude auf einen prosperierenden Südsudan. Allerdings brauchen wir ein verstärktes Engagement aller Verantwortlichen, Familien und Gemeinschaften, damit die Nation ihre Träume verwirklichen kann», sagt World Vision-Landesdirektor Dr. Mesfin Loha. «Wir sind eine junge Nation, die mehr Erfahrung in der Regierungsführung braucht. Das Friedensabkommen ist nicht perfekt, aber es hält an, wir müssen nur lernen, friedlich nebeneinander zu bestehen. Der Friede wird siegen, aber er muss von jedem von uns aus gehen», ergänzt Angelo Mathuch, World Vision-Manager.
Dr. Mesfin Loha unterstützt die Wünsche der Kinder und fordert: «Wir müssen Kinderrechte und das Wohlbefinden der Kinder in den Mittelpunkt von Politik stellen. Es muss auch darum gehen, die schlimmsten Formen von Gewalt und Missbrauch zu bekämpfen.»
World Vision ist seit vielen Jahren mit humanitärer Hilfe im Südsudan tätig und hilft auch den Flüchtlingen aus den angrenzenden Ländern, zum Beispiel in unserem Entwicklungsprojekt Omugo in Uganda.