Mit dem Tablet scannt ein World Vision-Mitarbeiter die Nothilfekarte dieser Familie.
Text: Bibhudan Biswas, World Vision Bangladesch
Ich arbeite seit 19 Jahren für World Vision Bangladesch in dieser Region. Fast jedes Jahr habe ich miterlebt, wie Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Überschwemmungen, Sturzfluten und Kältewellen das Land heimgesucht haben und wie World Vision zusammen mit anderen Organisationen und der Unterstützung der Regierung auf die unmittelbaren Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung reagiert.
Nothilfe braucht gute Vorbereitung
In der ersten Phase nach einer Katastrophe haben lebensrettende Massnahmen wie Nahrung, Unterkunft, Wasser, Schutz für Kinder und medizinische Versorgung Priorität. Dies erfordert schnelles Handeln der Regierung, von Nichtregierungs- und privaten Organisationen, um die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung zu stillen und weitere Risiken zu minimieren. In Anbetracht der Art der Katastrophe, des Ausmasses, der Intensität und der Schäden sind die Bedürfnisse der Menschen für verschiedene Gruppen unterschiedlich. Ich habe miterlebt, wie sich die Nothilfe-Massnahmen im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben. Systeme, Konzepte und Einsatzarten haben sich geändert, und auch die Prioritäten der Geber.
Wir Mitarbeitenden erhalten laufend intensive Schulungen, damit wir auf jede humanitäre Notlage angemessen reagieren können, wann immer sie eintritt. Früher haben wir die Hilfe in einer Notsituation meist in Form von Sachleistungen erbracht, aber jetzt gehen wir zu einer bargeldbasierten Projektarbeit über. Sie ermöglicht es den Begünstigten, selbst zu entscheiden, welches ihre dringendsten Bedürfnisse sind, und sie sind selbst für ihre Ausgaben verantwortlich.
Last Mile Mobile Solution (LMMS)
Die Last Mile Mobile Solution LMMS (Handy-Lösung für die letzte Meile) wurde von World Vision entwickelt und wird auch von anderen Hilfsorganisationen eingesetzt. LMMS ist eine softwarebasierte Anwendung, die auf einem mobilen Gerät läuft und bei Katastropheneinsätzen für die Information der Notleidenden und die Verwaltung von Hilfsgütern wie Nahrungsmitteln, Bargeld, Medikamenten, Hygienesets und anderen Non-Food-Artikeln eingesetzt wird. Auch das Monitoring vereinfacht sich durch die Digitalisierung. Wir haben einen besseren Überblick, wer was wann erhalten hat, und können auf diese Art effizienter helfen.
Mutter und Sohn können mit der LMMS-Karte Hilfeleistungen beziehen.
Pilotprojekt in Tahirpur
In Tahirpur leben die Menschen in weit verstreuten abgelegenen Dörfern in grosser Armut. Besonders schlimm ist es, wenn die jährlichen Überschwemmungen die Wege unterspülen, die Ernte vernichten und Häuser zerstören. Wir haben darum Tahirpur für ein Pilotprojekt mit LMMS ausgewählt.
Die Software erleichtert die Registrierung der hilfebedürftigen Familien auf Android-Tablets und das Erstellen einer Liste, welche Familie was braucht. Wenn alles erfasst ist, drucken wir jeder Familie eine scannbare LMMS-Karte aus, mit der sie sich beim Bezug von Hilfeleistungen ausweisen kann. Ausserdem erleichtert uns die Software, den Berechtigten Bargeld auszuzahlen, mit dem sie das kaufen können, was sie am Dringendsten brauchen. Und nicht zuletzt können wir einfach Berichte über unsere Nothilfeaktion erstellen.
Eine Frau hebt mit ihrem Handy Geld von einer Nothilfe-Bank ab, das World Vision ihr überwiesen hat.
Geld abheben mit dem Handy
Wir unterstützen die Familien auch beim Eröffnen von einer Art Online-Bankkonto, damit wir ihnen das Geld auf ihr Konto überweisen und sie dann mit ihrem Handy Bargeld beziehen können. Wir haben allerdings festgestellt, dass die Menschen hier so wenig Erfahrung mit moderner Technologie und dem Umgang damit haben, dass sie ihren Pin vergessen oder versuchen, mit der gleichen SIM-Karte neue Konten zu eröffnen. Auch sonst haben wir immer wieder mal mit technischen Problemen zu kämpfen, bis das Geld wirklich bei den Empfängern ist. Doch wir erleben auch in diesem Bereich Fortschritte, die Mitglieder der Dorfentwicklungskomitees stellen auf lokaler Ebene das Monitoring sicher, und die Bevölkerung ist sehr zufrieden mit dieser neuen Form der Hilfe, ja sogar begeistert.
Der Pilotversuch hilft uns, Lücken und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen. Bangladesch wird regelmässig von Naturkatastrophen heimgesucht, und jedes Jahr brauchen Menschen in Not dringend Hilfe. Wenn wir fortlaufend Mitarbeitende und lokale Verantwortungsträger in der Anwendung von LMMS und anderen modernen Methoden für Logistik und Infrastruktur schulen, können wir schnell vor Ort sein und innert kürzester Zeit unsere Hilfemassnahmen anlaufen lassen. Wir sind bereit!
In Not- und Katastrophenfällen leistet World Vision schnell und unbürokratisch Soforthilfe. Mit einer Spende helfen auch Sie!