Text: Tony Rinaudo, World Vision Australien
In meinen frühen Teenagerjahren habe ich mich oft über die Wertvorstellungen der Erwachsenen gewundert: Wieso ist es für sie völlig normal, ihren Müll einfach irgendwo zu verstreuen und unsere schöne Landschaft damit zu verschmutzen – meistens mit biologisch nicht abbaubarem Plastik. Damals habe ich die verheerende kumulative Wirkung dieses Verhaltens für unseren Planeten noch nicht verstanden.
Heute sehen wir in den Nachrichten Flüsse, die im Plastik ersticken, kilometerweite Müllteppiche auf dem offenen Meer und Plastikteilchen in den Mägen verendeter Vögel und Meereslebewesen. Es scheint, dass wir von einem kollektiven Wahnsinn befallen sind, denn letztlich ist die Zerstörung der Umwelt selbstzerstörerisch.
Wir leben in einer Zeit, in der es bald mehr Plastik als Fische im Meer geben wird. Trotzdem ändern wir unser Verhalten nicht und handeln weiter auf die gleiche unverantwortliche Weise. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um den Planeten zu retten. Aber gemeinsam mit der engagierten Bevölkerung – und dank der Finanzierung grosszügiger Spender – leisten wir überall in unseren Projektgebieten rund um den Globus unseren Beitrag im Kampf gegen die globale Müllkrise.
Indonesien: Eine App gegen den Abfall
Indonesien hat zum Beispiel allein 2016 mehr als 64 Millionen Tonnen Abfall produziert. Jakarta, die Hauptstadt, produziert täglich mehr als 7000 Tonnen Abfall. Es gibt einfach nicht genug Platz und LKWs, um den ganzen Müll abzuholen. Eine innovative und sehr effektive Idee schafft jetzt Abhilfe: Über das von World Vision entwickelte System der «Abfall-Bank» können die Community-Mitglieder Müll sammeln und in Geld umwandeln. Ihr Guthaben auf der «Waste Bank» wird über eine mobile App erfasst. Neben den positiven Auswirkungen auf die Umwelt hat die Abfall-Bank noch einen weiteren grossen Vorteil: Extrem arme Familien, die unterhalb der Armutsgrenze leben, haben damit eine kleine Einkommensmöglichkeit.
Vanuatu & Nicaragua: Kunst aus Müll
Ein ähnliches Modell verfolgt auch der pazifische Inselstaat Vanuatu. Mit Unterstützung der australischen Regierung und in Partnerschaft mit den NGOs Azure Pure Water und der Pango Green Force hat World Vision dort ein Programm implementiert, das Kunststoffabfälle in Geld umwandelt.
Die Initiative läuft unter dem Namen «Waste Not, Want Not». Ein englischer Ausdruck, der sinngemäss bedeutet, dass, wer beizeiten sparsam mit Ressourcen umgeht, auch später noch etwas hat. Im Rahmen des Projekts verwandelt die lokale Bevölkerung Müll in Kunstwerke und andere hausgemachte Waren. Sie verkaufen diese Produkte dann zusammen mit frisch angebautem Obst und Gemüse an lokalen Ständen. So trägt auch hier der Müll zum Einkommen bei und hilft armen Familien, dem Armutskreislauf zu entkommen.
Für kreative Projekte wie diese lassen sich vor allem auch die Kinder begeistern. Kelvin, ein 6-jähriger Junge aus einem unserer Entwicklungsprojekte in Nicaragua, sammelt mit seinen Freunden herumliegende Plastikflaschen auf und bastelt daraus Blumentöpfe. In Kursen und Aufklärungskampagnen hat World Vision die Bevölkerung für diese Thematik sensibilisiert. Mehr dazu in unserem Bericht «Keiner zu klein, ein Umweltretter zu sein».
Nepal: Recycle-Plastik für den 3D-Drucker
In Nepal fördert World Vision ein «Innovation Lab», das kreative Ideen für eine grünere Zukunft entwickelt. Eine der bahnbrechenden Entwicklungen aus dem Kathmandu-Tal betrifft die Technologie der 3D-Drucker. Derzeit wird daran geforscht, wie die Bevölkerung in schwer zugänglichen Regionen Kunststoff-Wasserflaschen für den Druck von Rohren, beispielsweise für Wasserleitungen, oder für medizinische Geräte wiederverwenden könnte.
Die verheerenden Erdbeben von 2015 haben in Nepal viele Häuser und Wassersysteme beschädigt – noch immer sind nicht alle wiederaufgebaut. Wenn die Bevölkerung Kunststoffabfälle für die Herstellung von Ersatzteilen und die Reparatur von Wasserleitungen vor Ort verwenden könnte, wäre das eine grosse Hilfe. Demnächst könnte die Technologie auch für Skalpelle, Otoskope und andere lebenswichtige Geräte in Krisen und Notfällen eingesetzt werden. Ein anderes Material, das das Innovation Lab aus Plastikabfall erzeugt, ist Polyfloss – ein Zuckerwatte-ähnlicher Stoff, der zur Gebäudedämmung und zum Füllen von Beton verwendet werden kann.
Das Recycling von Plastik ist zwar ein erster positiver Schritt in die richtige Richtung. Aber letztendlich müssen wir die Verwendung von Einweg-Kunststoffen in Frage stellen und bestimmte Kunststoffe gar nicht mehr verwenden. Es ist noch ein weiter Weg.