Text: Deborah Wolf, World Vision Kanada / Tamara Fritzsche, World Vision Schweiz
Es war ein gewöhnlicher Abend in Maries Dorf in der Demokratischen Republik Kongo. Das Abendessen war beendet. Die Familien genossen die Kühle des Abends, verweilten in der Nähe einer Laterne, lachten und erzählten Geschichten. Plötzlich durchdrangen Schüsse die Nacht. Maries Leben veränderte sich auf einen Schlag.
Die ‹Frau› eines Rebellen
«Männer stürmten unser Dorf», erinnert sie sich. «Überall waren Schüsse zu hören.» Die Rebellen-Soldaten begannen, Kindern aus ihren Hütten und Betten zu zerren. «Dann kamen sie auch zu unserem Haus und nahmen mich mit», erzählt Marie. Mit ihr wurden viele andere Mädchen gefangen genommen. Die Männer schleppten die Kinder in den Wald. Marie und andere Mädchen wurden vergewaltigt. Die Mädchen, die sich zu sehr gegen die Übergriffe wehrten, wurden getötet.
Die 15-jährige Marie wurde mit einem der Rebellen ‹verheiratet›, der regelmässig nachts in den Kampf zog. Mehr als zwei Jahre erfüllte sie unter schwierigsten Umständen alle ‹ Pflichten› einer Ehefrau. «Wir lebten im Wald. Es gab kein Haus. Wir schliefen nur auf dem Boden, bei den Moskitos und wilden Tieren», erzählt Marie. Als ‹ Zwangsehefrau› erlebte sie die Schrecken sexueller Gewalt als Folge des bewaffneten Konflikts täglich. Ihr Leben war eine einzige Qual. «Ich überlegte mir sogar, mir das Leben zu nehmen», erinnert sie sich. Schliesslich beschloss Marie zu fliehen, egal welche Folgen die Flucht haben würde.
Schwierige Flucht
Die Flucht vor einer Gruppe brutaler Soldaten ist keine leichte Sache. Marie versteckte sich nach der Flucht wochenlang im Freien. Durch Mut, Einfallsreichtum und fester Entschlossenheit schaffte sie es nach Burundi. Ihr Ehemann war ihr aber mit einer Gruppe Männern dicht auf den Fersen. In Burundi konnte sie also nicht bleiben. Mit dem wenigen Geld, das sie hatte, fuhr Marie mit dem Bus nach Uganda, wo ihr ein freundlicher Fremder ein Busticket nach Kenia bezahlte.
Leben im Flüchtlingslager
Heute ist Marie 18 Jahre alt und lebt im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia – und in Sicherheit. Im Lager traf sie eine Freundin. Gemeinsam bauen sie ihr Leben langsam wieder auf. Marie lernt gerade, Haare zu flechten. Sie hofft, in Zukunft damit Geld verdienen zu können.
Kinder als Soldaten
Auf der ganzen Welt werden Tausende von Jungen und Mädchen für staatliche Streitkräfte und Rebellengruppen rekrutiert, um als Kämpfer, Köche, Träger, Boten oder in anderen Rollen zu dienen. Mädchen werden oftmals für sexuelle Dienste entführt. Viele Kinder entscheiden sich aber auch aus der Verzweiflung heraus, sich einer bewaffneten Gruppe anzuschliessen. Sie werden etwa mit der Waffe bedroht und vor die Entscheidung gestellt, zu töten oder selbst getötet zu werden. Oder sie schliessen sich aufgrund von wirtschaftlichem, sozialem oder sicherheitspolitischen Druck einer Gruppierung an. Armut und Perspektivenlosigkeit machen Kinder noch anfälliger für die Rekrutierung.
Am 12. Februar ist der Red Hand Day, der weltweite Aktionstag gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten.
World Vision arbeitet unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo daran zu verhindern, dass noch mehr Kinder in den Kampf gezwungen werden. Kinder wie Marie sollen frei von Angst, sicher vor Gewalt und geschützt vor Missbrauch und Ausbeutung leben können. In sogenannten Rebound Centern erlernen ehemalige Kindersoldaten und Opfer von bewaffneten Konflikten diverse Berufe, um sich ein Leben aufbauen zu können.
*Namen aus Personenschutzgründen geändert.