Der 60-jährigen Halima Mahamud und der 48-jährige Fadum Issack fehlen die Lebensgrundlagen. Ihre einzige Hoffnung ist die humanitäre Hilfe.
Text: Tobias Oloo, Einsatzleiter World Vision Somalia
Dies ist die Realität, mit der Millionen von Kindern im Süden Somalias konfrontiert sind. Mehr als sieben Millionen Menschen leiden unter schwerer Ernährungsunsicherheit, 213 000 Menschen sind nur einen Schritt von einer Hungersnot entfernt. Vor allem wegen der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren sind mehr als 800 000 Menschen durch den Hunger vertrieben worden. Sie haben keine andere Wahl als umzuziehen. Oft sind sie tagelang oder wochenlang zu Fuss unterwegs. Denn wenn sie zurückbleiben, kann die Hilfe sie nicht erreichen.
Tobias Oloo, Einsatzleiter von World Vision Somalia, mit Mitarbeitern des Gesundheitswesens, die sich in Baidoa um ein 8 Monate altes, unterernährtes Baby kümmern. (Foto: Patrick Gwayi)
Ich habe mehrere dieser vertriebenen Familien im Bezirk Doolow getroffen. Kin, eine Mutter von sechs Kindern, ist aus Nordsomalia gekommen, um der Dürre und dem Hunger zu entkommen. Sie wohnt jetzt mit ihren Kindern in einer winzigen Unterkunft aus alten Kleidern, Plastiktüten und trockenen Stöcken. Drei von ihnen leben mit verschiedenen Behinderungen, zwei von ihnen können nicht laufen.
Hoffnung auf Hilfe zum Überleben
Wie die meisten der 18 000 Menschen, die in diesem behelfsmässigen Lager leben, hat sie ihren gesamten Viehbestand durch die Dürre verloren. Sie ist in der Hoffnung auf Hilfe zum Überleben hierher gekommen. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie schwierig ihre Reise gewesen sein muss. Und Kin musste geliebte Menschen zurücklassen. Familien wie die ihre leben jetzt von humanitärer Hilfe, lassen tagelang Mahlzeiten ausfallen oder betteln bei Nachbarn um Essen. Auf diese Weise feierten die Familien, die ich traf, Anfang Juli das Eid-al-adha-Fest, ein wichtiges muslimisches Opferfest
Lebensader Wasser
Alle in Kins Lager sind auf einen einzigen Wassertank angewiesen, der dank World Vision zweimal am Tag von einem Wasserwagen gefüllt wird. Diese Unterstützung ist eine Lebensader. In Lagern, die keinen Zugang zu sicherem Wasser haben, beobachten unsere Mitarbeiter vor Ort einen Anstieg der durch Wasser übertragenen Krankheiten.
Einige Kinder werden die Hilfe nicht mehr erleben, wenn sie nicht bald eintrifft. Die Vereinten Nationen haben davor gewarnt, dass fast 400 000 somalische Kinder unter fünf Jahren bis zum Jahresende schwer unterernährt sein könnten.
Kinderheiraten und Kinderarbeit
Die verzweifelte Lage könnte Eltern dazu zwingen, ihre Kinder von der Schule zu nehmen und junge Mädchen auf die Heirat vorzubereiten, um sich eine Mitgift zu sichern, nur um das Jahr zu überleben. Wir wissen auch von vertriebenen Mädchen, die gezwungen sind, zu arbeiten, um Geld für den Unterhalt ihrer Familien zu verdienen. Selbst dann können sie sich nur eine Grundmahlzeit pro Tag leisten.
Das Ausmass der Not und des Leids übersteigt alles, was ich bisher gesehen habe. Ein Bezirksbeauftragter sagte mir, dass diese Dürre viel schlimmer ist als die Dürre in Somalia im Jahr 2011, als 250 000 Menschen an Hunger starben. Damals waren die Hälfte davon Kinder. Inmitten der Verzweiflung habe ich die Hoffnung nicht verloren.
Eine Mutter von acht Kindern mit einigen ihrer Kinder vor ihrer Behelfsunterkunft in einer Siedlung für Vertriebene in Baidoa, Südsomalia. Sie lebt hier seit April 2022, also seit 93 Monaten. Sie wanderte aus ihrer ländlichen Heimat aus, nachdem sie ihren gesamten Viehbestand durch die Dürre verloren hatte. Sie ist jetzt registriert, um bis Dezember 2022 von World Vision mit Unterstützung des Welternährungsprogramms Lebensmittelgutscheine zu erhalten. Die blaue Karte, die sie in der Hand hält, wird monatlich mit Lebensmitteln im Wert von 75 US-Dollar aufgefüllt. (Bild: Patrick Gwayi und Lucy Murunga)
Lebensmittelgutscheine und Bargeld für Vertriebene
Hilfsorganisationen wie World Vision sind vor Ort und tun alles, um die Not zu lindern. In Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm verteilt World Vision jeden Monat Lebensmittelgutscheine und Bargeld an 38 000 vertriebene Familien. Dies hilft, Kinder und ihre Familien vor den negativen Auswirkungen der Dürre zu bewahren. Tatsache ist jedoch, dass wir dringend Mittel benötigen, um die Zahl der Menschen, die diese wichtige Unterstützung erhalten, nahezu zu verdoppeln.
Die internationale Gemeinschaft muss die Bedürfnisse der Kinder ganzheitlich betrachten und die Massnahmen entsprechend finanzieren, einschliesslich psychosozialer Unterstützung und Bildung. Dies braucht es, um die Auswirkungen der Flucht vor dem Konflikt und der Dürre zu bewältigen. Der humanitäre Reaktionsplan Somalias hat weniger als 7 Prozent der erforderlichen Mittel für Bildung und nur 4 Prozent für Schutzprogramme erhalten.
Die Vision einer besseren Zukunft
Ich habe somalische Kinder getroffen, die entschlossen sind, eine bessere Zukunft für sich und ihr Land aufzubauen. Sie sind die Veränderung, auf die wir gewartet haben, aber Dürre und Hunger drohen ihre Träume in kürzester Zeit zu zerstören.
Die Zeit zum Handeln ist jetzt gekommen!
Millionen von Kindern hungern. Helfen Sie mit, das immense Leid zu lindern!