Indien: Dank Wasserrad pünktlich im Schulzimmer

22. Oktober 2022

Indien: Mädchen stösst ein mit Wasser gefülltes Wasserrad aus blauem Kunststoff vor sich her.

Krishna holt jetzt mit dem Wasserrad Wasser für die Familie. Dadurch spart sie viel Zeit.

Text: Jim Wungramyao Kasom, World Vision India 

Krishna schiebt das Wasserrad mit einer spielerischen Geste an. Es ist Mittag und die Sonne spielt Verstecken mit den Wolken am Himmel – ein sicheres Zeichen für Regen. Jetzt, Anfang September, hat der Regen das Grundwasser bis zu einem gewissen Grad wieder aufgefüllt. Die nächstgelegene Wasserquelle für Krishnas Familie ist eine Handpumpe, ein paar hundert Meter von ihrem Haus entfernt. Doch in der Trockenzeit ändert sich dies: In den trockenen Monaten von Februar bis Juni ist Krishnas Dorf mit rund 100 Haushalten auf einen einzigen Brunnen angewiesen. Der Rest der Handpumpen und Brunnen trocknet aus. Der Brunnen ist 1 km vom Dorf entfernt, und Krishna und ihre Familie verbringen viel Zeit damit, Wasser zu holen. 

 

Herausforderung Wasser

Krishna geht in die 10. Klasse und besucht die 2 km vom Dorf entfernte Schule. Für eine 15-jährige Schülerin drehte sich ihre tägliche Arbeit zu sehr um das Wasserholen. «Wir sind drei bis vier Mal am Tag zum Brunnen gelaufen. Da wir in der Trockenzeit fürs ganze Dorf nur einen Brunnen haben, braucht dies viel Zeit. Früher habe ich etwa zwei Stunden am Tag damit verbracht, Wasser zu holen», erzählt Krishna.

Für Rekha, Krishnas Mutter, scheint sich das ganze Leben um Wasser zu drehen. Rekha und ihr Mann Karulal sind beide Bauern. Sie bauen Sojabohnen, Mais, Weizen usw. an und kennen die Herausforderungen der nur begrenzt verfügbaren Wassermenge in Pratapgarh. Aber nicht nur das, sie müssen sich dieser Herausforderung auch jeden Tag im Haus stellen, wenn sie fünf Kinder grossziehen.

«Zu Krishnas morgendlichen Aufgaben gehört es, 2-3 Eimer Wasser von der Handpumpe oder dem Brunnen des Dorfes zu holen. Während einer Trockenperiode warten vor der einzigen Wasserquelle im Dorf, dem Brunnen, viele Menschen. Das Mädchen hat schon die Schule verpasst, weil sie in der Warteschlange anstand", erzählt Rekha.

 

Rückgang des Grundwasserspiegels

Die Menschen im ländlichen Pratapgarh sind sowohl für häusliche als auch für landwirtschaftliche Zwecke vom Grundwasser abhängig. Doch das Gebiet ist ausserdem von Natur aus trocken. Der Grundwasserspiegel sinkt wegen Übernutzung immer mehr, denn die jährlichen Regenmengen schaffen es nicht, den Grundwasserspiegel wieder aufzufüllen.

 

Indien: Ein blaues Kunststoffgefäss, das mit Wasser befüllt wird.

Das blaue Plastikgefäss fasst 45 Liter Wasser. Es lässt sich zwischen Holzstangen einspannen und so wie ein Rad schieben.

 

Wasserräder lösen viele Probleme

Um die Wasserprobleme zu lindern, hat World Vision Indien 200 Familien in Pratapgarh mit Wasserrädern ausgestattet. Ein Wasserrad hat ein Fassungsvermögen von 45 Litern. Der Wasserbehälter, der an einem Griff befestigt ist, kann das Wasserrad leicht geschoben oder gezogen werden, auch von Kindern.  

Ein einfaches Gerät, das viele Probleme löst. Der Brunnen ist recht tief und stellt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene ein Risiko dar. Durch die Verringerung der Anzahl der Besuche konnte dieses Risiko verringert werden. «Es ist einfach, diesen Behälter zu schieben. Wir müssen uns also nicht so sehr abmühen. Ausserdem fasst er 45 Liter Wasser. Früher konnten wir nur 10 bis 15 Liter auf einmal transportieren. Das spart uns nun eine Menge Zeit und Energie. Jetzt können wir zwei Mal am Tag Wasser holen, und das reicht aus», sagt Rekha.
 

Mehr Zeit fürs Lernen und Spielen

Krishna und ihre Geschwister haben dank dem Wasserrad mehr Zeit fürs Lernen und Spielen. Krishna ist übrigens ein World Vision-Patenkind. Sie ist seit dem Start des Kinderclubs von World Vision Indien im Jahr 2011 im Kinderclub dabei und sie wird die erste in ihrer Familie sein, die ein College besucht. Ihre Eltern konnten nie eine Schule besuchen. 
 

Der allgemeine Wandel in dem Dorf ist bemerkenswert. «Früher verliessen Mädchen die Schule nach der 8. oder 9. Klasse und wurden verheiratet. Jungen wurden zum Lernen ermutigt, aber nicht die Mädchen. Das hat sich heute geändert. Es gibt Mädchen aus dem Kinderclub, die die 11. Klasse besuchen», sagt Krishna. «Dank dem Wasserrad habe ich jetzt mehr Zeit zum Lernen. Ich möchte Beamtin im Staatsdienst werden. Ich weiss, dass ich mich dafür sehr anstrengen muss – aber ich möchte träumen», sagt das Mädchen lächelnd.


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