Das Coronavirus breitet sich explosiv im Amazonasgebiet aus. Reisende brachten es aus dem Ausland in die regionale Hauptstadt Manaus. Von dort dringt es nun den Fluss entlang immer weiter in den Regenwald vor.
Text: World Vision Schweiz
Der Amazonas ist hier die wichtigste Verkehrsader. Händler, Fischer und Arbeiter fahren mit ihren Booten den riesigen Fluss und seine unzähligen Nebenflüsse auf und ab. Holzfäller und Goldgräber dringen tief in den Dschungel ein und bringen Infektionen mit, die oft extrem gefährlich für die indigenen Völker dort sind. So erreicht auch COVID-19 selbst die entlegensten Dörfer. Manche indigene Brasilianer befürchten eine Ausrottung ihrer Gemeinden.
«Viele der Gemeinden, die wir besuchen, wissen überhaupt nichts über das Virus», berichtet Dr. Rogelio Peraza, ein Arzt auf einem Krankenhausschiff von World Vision und der Presbyterianischen Kirche.
Das schwimmende Krankenhaus hilft dort, wo es keine Ärzte, Intensivstationen oder Beatmungsgeräte gibt. Seit Juli ist es unterwegs.
Hier sind die wichtigsten Eindrücke von seinem zweiten Einsatz im August:
Das Schiff fährt den Solimões entlang, wie der obere Teil des Amazonas in Brasilien genannt wird. Es legt in kleinen Urwald-Gemeinden an.
Dorfbewohnerin Lourdes hatte das Schiff schon bei seinem ersten Einsatz in einer anderen Gemeinde aus der Ferne beobachtet: «Wir haben [das Schiff] in Nazaré gesehen und gehofft, dass es eines Tages hier zu uns kommt. Und jetzt ist es hier.»
Lourdes lebt in São José, einer kleinen Inselgemeinde von nur 30 Familien. Mit dem Boot sind es bis zum nächsten grösseren Ort zwei Stunden. Der Fluss ist hier die einzige «Strasse». Dort gibt es eine Apotheke und ein Krankenhaus.
Der Schwerpunkt des Krankenhausschiffs liegt auf der ersten Hilfe. «Wir helfen 500 Familien in 12 Gemeinden. Wir verteilen Hilfspakete mit Grundnahrungsmitteln, Schutzmasken und Medikamenten», so Maria Lucinete Trindade, Projektkoordinatorin bei World Vision Brasilien.
Das Team klärt ausserdem über Zahnhygiene auf. Ein Zahnarzt ist mit an Bord und greift bei Notfällen sofort ein. «Wir helfen auch zahnmedizinisch, weil in dieser Region der Karies ein grosses Problem ist, und schon junge Leute oft Zähne verlieren», so Dr. Rogelio Peraza.
Wie überall auf der Welt verändert das Virus auch im Amazonas dramatisch den Alltag. Viele Dörfer versuchen sich abzuschotten. «[COVID-19] hat alles verändert. Wir konnten nicht mehr aus dem Haus», sagt Celia, eine Händlerin, die zum indigenen Ticuna-Volk gehört. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Töchtern in Santa Luzia, einer kleinen Gemeinde auf einer Insel im Amazonas-Fluss.
Schon vor der Krise waren die Regenwald-Dörfer medizinisch unterversorgt. «Wir sind in einem indigenen Gebiet und nicht registriert. Wenn jemand von uns krank wird, müssen wir zum Krankenhaus nach Anamã eilen», sagt Celia. Die Fahrt mit dem Boot dorthin dauert drei Stunden.
«Wenn einer von uns sehr krank wird, müssen wir es oft einfach ertragen, weil es schwer ist, einen Termin [im Krankenhaus] zu bekommen», so Lourdes.
Das Krankenhausschiff bekämpft auch andere Notstände. «Wir sprechen mit ihnen auch über die Gewalt gegen Kinder und Frauen, die während der Pandemie zugenommen hat», sage Maria Lucinete Trindade, die Projektkoordinatorin.
Das Schiff wird unterwegs sein, bis die Krise überstanden ist. Und auch nach Corona wird es weiterhin im Amazonas Nothilfe leisten.
In Europa versuchen wir, Kontakte zwischen den Menschen auf ein Minimum zu reduzieren und durch «social distancing» den Kollaps der Gesundheitssysteme zu verhindern. In den Regionen, in denen die Ärmsten leben, ist das jedoch oftmals unmöglich. Sie können einen Unterschied machen - jetzt spenden!